Lange betrachtete Louis die Narbe, die ihm quer über den Arm reichte.
Sie durchzog seinen kompletten Unterarm, doch was einst dick und wulstig gewesen war, wurde von Zeit zu Zeit zarter und feiner.
13 Jahre war es nun her, er erinnerte sich genau. Damals, so glaubte er, zeige die Narbe den schweren Schmerz, den er tief in seinem Inneren trug und der niemals versiegen würde.
So tief eingebrannt, dass eine Heilung unmöglich schien. Louis hatte nie auch nur die kleinste Hoffnung gehabt, dass die Narbe eines Tages verschwinden könne. Die Verletzung konnte nur durch eines geheilt werden - denn er trug sie auch in seinem Herzen.
Keiner wusste das.
Gerade erst hatte seine Schwester wieder Kontakt zu Camille aufgenommen.
Camille, er erinnerte sich, an ihr Lachen, ihre liebevolle Art und ihr trauriger Blick, der ihm jedes Mal, wenn er ihn zu Gesicht bekam, das Herz brach.
Sie trug ein Geheimnis in sich - das wussten sie alle.
Lou konnte sich nicht erinnern, wie diese so unzertrennliche Freundschaft zwischen seiner Schwester und ihr zerbrechen konnte. Camille war kein Mensch, den man einfach gehen ließ.
Doch die Freundschaft ging auseinander, schleichend und langsam. Ohne, dass er hätte eingreifen können.
" Du bist einfach zu schüchtern. ", ja, das hatte Louis schon oft gehört. Von seinem älteren Bruder,´dem Serienbräutigam, von seinen drei kleinen Schwestern und von seiner Mutter, die wohl merkte, wie er Camille anschaute. Obwohl er seine zarte anfängliche Liebe zu verstecken wusste.
Die lange Durchfahrt erweckte die Erinnerungen in ihm und mit dem prächtigen schmiedeeisernen Tor öffnete sich gleichzeitig auch eine Tür ... ein kleines Schlupfloch ...
" Sie sind da "
Das leichte Beben, das ihren gesamten Körper durchfuhr, zeigte ihr nicht nur ihre große Aufregung, sondern auch, wie sehr sie Aurelie's Bruder vermisst hatte.
Lou - auf bezaubernde Weise berührte er ihr Herz.
Sie hatte es nie mehr geschafft, ihm in die Augen zu schauen. Als sie es das letzte Mal wagte, konnte sie das Verlangen kaum zurückhalten. Er raubte ihr den Atem - und den wollte sie sich zurückholen.
Danach hatte sie ihn immer mehr ignoriert, aber das machte es auch nicht besser.
Zu sehr liebte sie die Momente in der großen spanischen Familie, allen voran Aurelie und Lou.
Diese Momente schenkten ihr pure Lebensfreude, ihr Lachen wurde lauter, ihre Freude größer und ihr Leben // sie lebendig.
Schon allein deswegen hatten sie einen großen Platz in ihrem Herzen bekommen.
Der Gedanke daran, erinnerte Camille, dass die zwei am meisten von ihr ersehnten Menschen nun draußen auf sie warteten.
Mit klopfendem Herzen schritt sie die große Eingangstreppe herunter. Ihre Füße waren beschwingt und leicht, so groß war ihre Freude.
Etwas in ihr fing an zu flattern, wie ein Flügel, der nun endlich wieder fliegen konnte.
A book of love, a book of hope